Annette Katharina Hildebrandt

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Chorherberge im Kloster
St. Claren zu Weißenfels

Ein Bild, dass den Innenhof des Klosters zeigt.

eine Umfrage unter bundesdeutschen Laienchören

im Auftrag des Bürgervereins Kloster St. Claren e.V.

Oktober 2014

Die Idee der Chorherberge

Der Bürgerverein Kloster St. Claren zu Weißenfels hat sich u.a. zum Ziel gesetzt, das Kloster in der Innenstadt von Weißenfels im Zusammenhang mit der Entwicklung eines Gesamtkonzeptes nachhaltig zu revitalisieren.

Einige Ideen wurden dazu schon entwickelt, u.a.: Das Gebäude kann zu einer Beherbergungsstätte für Gäste aus der Nähe und der Ferne werden. Zu den Gästen könnten beispielsweise die Pilger/innen der „Via Regia“, der „Himmelswege“ und ggf. künftig auch die des „Lutherweges“ gehören.

Jedoch: Die erwünschten „Pilgerströme“ werden voraussichtlich zunächst eher „tröpfeln“, außerdem wird diese Zielgruppe durch ihre Anspruchslosigkeit auch bei größerer Frequentierung des Klosters nur geringfügig zur Kostendeckung des Herbergsbetriebes beitragen können, da sie auf eine besonders preisgünstige Unterbringung angewiesen ist. Dafür geeignete Unterbringungsmöglichkeiten gibt es im Übrigen in Weißenfels bereits (z.B. das Sporthostel in der Beuditzstraße mit 24 Betten).

Wenn das Kloster also wieder mehr Menschen beherbergen soll, muss eine andere Zielgruppe gesucht und gefunden werden: Diese könnte, dem kulturhistorisch reich ausgestatteten Weißenfels angemessen, aus musikalischen bzw. Musik ausübenden Gästen bestehen. Die größte dieser Gruppen ist bundesweit die der Laienchöre.

Chöre reisen sehr gerne — für viele Sängerinnen und Sänger sind die alljährlichen Chorreisen oder — freizeiten gar der Höhepunkt der Saison. Dabei entscheidet die jeweilige Unterbringung immer mit, ob eine Region bzw. Herberge noch einmal aufgesucht wird. Besonders große Chöre (ab 60 bis 150 Mitglieder) haben jedoch häufig Mühe, überhaupt eine passende Unterkunft zu finden, sind entsprechend treu im Wiederkehren und buchen häufig schon Jahre im Voraus, um die Unterkunft sicher zu stellen. Die Autorin dieser Untersuchung war jahrelang Geschäftsführerin der Berliner Domkantorei (150 Mitglieder), in dieser Funktion auch Managerin eines Chorhauses auf der Insel Rügen und 40 Jahre lang Mitglied verschiedener semiprofessioneller und Laienchöre sowie von Laienbands und -orchestern, spricht also auch aus eigener Erfahrung.

Eine Herberge für Chöre und andere Ensembles benötigt viel Fläche, u.a., um Möglichkeiten für große Ensembleproben zu bieten. Akustisch abtrennbare Bereiche für Gruppenproben sind ebenfalls wichtig. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass das Preisspektrum und die Zimmerausstattung des Beherbergungsangebotes für alle Chorreisenden angemessen sind, sondern auch, dass die „Seele“ eines jeden Chores Berücksichtigung findet. Das heißt, jeder Chor hat ein bestimmtes Naturell, das gerade bei Reisen und Probenlagern ausgelebt werden will. Diesen Anforderungen werden bundesweit nur sehr wenige Häuser gerecht. Mal sie sind zu klein und haben nicht das nötige Raumangebot, mal beherbergen sie eine bunte Mischung von Gästen, die stundenlanges Musizieren nicht tolerieren können bzw. wollen. Die Schlafbereiche sind nicht ausreichend weit von den Probenräumen entfernt, es gibt kein musikalisches Know-how vor Ort, auch keine technische Ausstattung und die Gruppenräume sind akustisch wenig geeignet.

Hier zeigt sich ein Mangel, wenn nicht gar eine Marktlücke, in die das Kloster St. Claren stoßen könnte. Gruppenhäuser gibt es viele, Musikakademien schon wesentlich weniger. Eine reine Chorherberge, die ideale Räume für freie Probengestaltung von Laienchören aller Art bietet, ist uns, zumindest deutschlandweit, nicht bekannt.

Nun möchten wir dazu noch etwas vorschlagen, was tatsächlich — nach unserer Kenntnis — mindestens deutschlandweit einmalig wäre, also ein absolutes Alleinstellungsmerkmal ist:

Die Unterbringung in der Chorherberge wird mit einem Angebot des Kulturmanagements gekoppelt — den Chören werden auf Wunsch (und nach Möglichkeit) Auftrittsorte in der Region Halle/Leipzig angeboten. Hier, so ist die Vermutung, kann kaum ein Chor widerstehen, der überhaupt Interesse an Chorfahrten hat (und dem die Reise nach Weißenfels nicht zu weit ist). Denn Laienchöre, die es deutschlandweit in großer Anzahl gibt (allein der Deutsche Chorverband hat 26.000 Mitglieder), haben häufig Mühe, Auftrittsorte außerhalb ihres bekannten Umfeldes zu finden.

Laienchöre umfassen ein großes Personen- und Altersspektrum — dem entsprechend variabel sollte der Zimmerkomfort des Chorheimes beschaffen sein. Angebote sollten vom Jugendgästehaus- bis zum Dreisterneniveau sowie auch für Selbstversorgergruppen vorhanden sein. Auch diese Mischung gibt es in kaum einem Hause. Entweder es ist in Gänze als Tagungshaus konzipiert, oder es hat Jugendgästehauscharakter.

Aus unserer Sicht lässt sich im Kloster St. Claren sehr gut die schlichte (christliche) Herberge mit dem Haus für gehobene Ansprüche kombinieren — ein Modell, das wir nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen für tragfähig halten.

In der Ideenskizze vom März 2014 wurde bereits näher auf weitere konzeptionelle Überlegungen (beispielsweise zur gastronomischen Versorgung) und Ziele und Effekte für die Stadt Weißenfels eingegangen. Darauf soll an dieser Stelle daher nur verwiesen werden.

Zusammenfassung der Ergebnisse

  • Es gibt eine Marktlücke im Unterbringungssegment für große Laienchöre.
  • Laienchöre sind eine riesige nationale und internationale Zielgruppe.
  • Es wurden 1.592 bundesdeutsche Laienchöre an der Umfrage beteiligt. Die Rücklaufquote lag bei 17% und ist damit hoch.
  • 52% (abs. 139) der antwortgebenden Chöre bejahen eindeutig, in die Weißenfelser Chorherberge kommen zu wollen, 25% (abs. 65) wissen es noch nicht genau. Nur 23% (abs. 62) können sich einen Aufenthalt nicht vorstellen.
  • Der häufigste Grund für eine Absage ist die zu weite Entfernung (38%), gefolgt vom zu hohen Alter der Chormitglieder (17%) und der generellen Aussage, keine Chorreisen zu tätigen (14%).
  • Die Zusagen kommen in der Regel aus Großstädten, Ballungsräumen oder aus Orten, die sich entweder in relativer Nähe zu Weißenfels befinden oder über eine günstige Verkehrsanbindung (Autobahn) verfügen.
  • Generell kommen die Chöre aus der ganzen Bundesrepublik; der weitest entfernte Chor, der zugesagt hat, kommt aus Freiburg/Breisgau, 620 km von Weißenfels entfernt).
  • Über die Hälfte der Chöre möchten ein Wochenende kommen; 11 % (abs. 23 Chöre) können sich auch einen Aufenthalt von einer Woche vorstellen.
  • Die Chöre sind unterschiedlich groß. 64% der Chöre haben etwa 20 bis 49 Mitglieder. 33% haben Mitgliederzahlen von 50 bis 150 Personen.
  • Die optimale Ausgestaltung der Probenräume, eine günstige Preisgestaltung und eine gute Verpflegung sind für fast alle Chöre wichtig bis sehr wichtig.
  • Die Chormitglieder möchten überwiegend in EZ oder DZ untergebracht werden. Nur 8% der Chöre haben hier keinen Bedarf und wollen ausschließlich in Mehrbettzimmern untergebracht werden.
  • Der Raumbedarf an Proben- und Aufenthaltsräumen ist insgesamt hoch und je nach Chorart sehr differenziert.
  • 69% der Chöre möchten eindeutig eine Auftrittsmöglichkeit in der Region angeboten bekommen, 23% sind sich noch nicht sicher. Nur 6% der Chöre haben hieran kein Interesse.
  • Die meisten Chöre planen ihre Auftritte und Reisen entweder 1 Jahr (49%) oder 1 ½ bis 2 Jahre im Voraus (33%).
  • 99% der antwortenden Chöre möchten zu gg. Zeit Werbematerial zugesendet bekommen.
  • Die positiven Rückmeldungen bestätigen die Annahme, dass eine große Anzahl von Chören bereit ist, in die Chorherberge nach Weißenfels zu kommen.
  • Es gibt in weitem Umkreis keine Herberge, die die von uns benannten Anforderungen erfüllt (Größe, Ausstattung, Bettenkategorien) und somit auch keine Konkurrenz. Anders herum entsteht durch die Chorherberge anderen Häusern wenig Konkurrenz, weil es um eine eigens erschlossene Zielgruppe geht.
  • Die Chorherberge muss einzig als solche geführt werden, um der Zielgruppe dauerhaft gerecht zu werden.
  • Die Planung und Führung eines solchen Hauses ist ein anspruchsvolles Unterfangen und kein Selbstläufer. Dennoch empfiehlt das Projektbüro Hildebrandt, alle notwendigen Schritte zu gehen, um das Vorhaben zu realisieren.